Der CEO spricht: „JJJ!“

Je nachdem, wie der Wind stehe, stinke es, oder für andere. „Das kann doch nicht so schwer zu verstehen sein!“ ruft unser CEO zornig ins Telefon. Am Vortag, einem Montag, war es nämlich wieder so weit: Die benachbarte Hipster-Kaffeerösterei, die sich superfair und total biologisch gibt, versetzt ihre unmittelbare und die etwas entfernter gelegene Nachbarschaft gleich mit regelmäßig – montags und freitags – stundenlang in eine Hölle aus beißendem Gestank. Auf deren Webseite heißt es großspurig zur Begrüßung, hinterlegt mit den Porträts von zwei coolen Typen mit doofen Mützen: „UNSER ANSPRUCH: Wir stehen für die einzigartige Kombination aus Specialty Coffee, fairem Handel und biologischem Anbau“. Okay, möge ja sein, sagt mindestens ein Nachbar – unser CEO -, das jucke aber niemanden, solange es bei vorherrschendem Westwind in der Nase und weiter innen mehr als nur jucke. Erst neulich habe er im Innenhof der Klitsche krassen Rauch gesehen … und dann den Ort dessen Herkunft entdeckt: ein aus einem Fenster, hinter einer Treppe versteckt, ragender dicker Abgasschlauch, dem beißendster Rauch entwich, statt durch den Metallkamin geleitet zu werden. Auch davon gebe es ein Foto.

Ja; dagegen etwas zu unternehmen, stellt sich als lokaltypischer Behördenmarathon heraus. Den kann sich nur leisten, wer zu viel Zeit hat, oder wer aus Betroffenheit hoch motiviert ist. Des Rätsels Lösung bleibt dem geneigten Leser (w/s/m) überlassen. Jedenfalls greift unser CEO zum Telefon und wendet sich an das lokale Landesamt für Umweltschutz und erwischt die Leute kalt beim Schwenken oder Unkrautjäten im Garten; es sei schließlich pandemisches Homeoffice angewiesen und die Kantine folglich geschlossen. Erst wenn man durch das Gespräch durch ist, kann es zur Sache kommen. Er wäre (nachweislich) vielfacher Allergiker, ein inzwischen abrupt weggezogener griechischer Ex-Nachbar gar Asthmatiker und leide unter den Emissionen, hätte mit den Eignern und Betreibern bereits persönlich gesprochen aber nur einen Espresso ausgeschenkt bekommen. So gehe das nicht weiter! Solch eine Anlage in einer Hinterhofstauatmosphäre könne doch nicht genehmigungsfähig sein … Sei sie auch nicht; eine Genehmigung sei nicht einmal beantragt worden beziehungsweise sei man als Aufsichtsbehörde nicht wie vorgeschrieben ins Genehmigungsverfahren involviert worden; das wäre rechtswidrig.

Jesses! Was für Dreckskerle, fährt es wütend unserem CEO durchs Hirn. „Aha. Und nun?“ Die Anlage müsse folglich stillgelegt werden, und zwar sofort? Ja, aber so einfach sei das alles nicht. Sie hätten bereits etwas unternommen, aber die Sache sei nun in Händen der Unteren Bauaufsicht. Dort liege sie seit Längerem und harre offensichtlich der weiteren Bearbeitung. Unser immer wütender werdender CEO stellt sich Unkraut jätende und schwenkende oder sonstigen Annehmlichkeiten frönende Mitarbeiter*innen dieser unteren Behörde vor, die man nur per Direktschalte auf ihr privates Mobiltelefon erreicht, ohne dass sichergestellt ist, dass es sich auch um ein behördlich genehmigtes telefonisches Endgerät zwecks Führung amtlicher Dienstgespräche handelt, wenn sogleich der Anrufbeantworter anspricht. Elende Zustände, wo man hinschaue, ätzt unser CEO. Jetzt hänge die Sache bei denen da ganz unten und hänge da vor allem fest. Die Kaffeegriller mit ihren Narrenkappen lachen sich derweil ins Fäustchen. Die Verjährung naht … zu viel Bürokratie? Wo denn?

© VG Wort, 2021.

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