Der CEO spricht: „NNN!“

Nachbarn könnten sehr treue Seelen sein, sagt unser CEO, sehr treue; vorausgesetzt, man erweise sich der Treue würdig. Das sei ihm offenbar gelungen, sogar über mehrere Straßen und viele Meter des Höhenunterschieds hinweg. Der, um den es sich hier handelt, ist ein besonders treues Exemplar dieser Spezies, die seltener geworden sein soll; in jeder Hinsicht: als Partner*in, als Kund*in und als Wähler*in. Im letzten Falle wäre das aus demokratischer Perspektive sehr wünschenswert, denn nichts sei demokratiefeindlicher als festgefahrene Zustände, die immer in Korruption und Korrumption endeten, woran nur der/die/das Wähler*in als entwickeltes demokratisches Subjekt etwas ändern könne, am besten präventiv. Dazu neige der/die/das deutsche Wesen allerdings so rein gar nicht. Demnächst gebe es die nächste Gelegenheit, ihn mit dem Gegenteil zu überraschen. Doch diese werde in den Wind geschlagen, weil die sprichwörtliche geistige Trägheit sich in Jahrhunderte währenden Prozessen gemäß epigenetischer Gesetzmäßigkeiten fortzupflanzen und zu verfestigen scheine. Er, unser CEO, stünde unmittelbar vor der vollständigen Resignation.

Brief an Ulrich Ludat von Stefan Weszkalnys vom 11.07.2021 mit Artikel aus der 'Süddeutschen Zeitung'.
‚Brief‘ an den CEO v. 11.07.2021. – © VG Bild-Kunst, 2021.

Nun aber zurück zum Thema: Nachbarn könnten sehr treue Seelen sein. Die Tage habe unseren CEO analoge Post erreicht (s. o.), die im Zeitalter der voll elektronisierten Kommunikation eher aus der Ferne, denn aus der Nähe käme. In diesem Fall sei sie von ganz nah gekommen und habe einen Ausschnitt aus einer überregionalen Zeitung enthalten, der mit sehr persönlichen Worten versehen gewesen sei, die ihn sehr anrührten; nach wie vor. Und das geschehe ausgerechnet an Tagen, an denen er selbst sich erstmals in der Collagetechnik geübt habe (s. u.), eine lokale Zeitung zerschnippelnd, die – so seine überraschende Beobachtung – hauptsächlich Bilder von Situationen der Mobilität enthielte. Kein Wunder im langjährigen Autofahrer*innenland #1 der BRD, wo man sich ob seiner sprichwörtlichen »Strackheit« noch mächtig umgucken werde.

Erste Collage des CEO. © VG Bild-Kunst, 2021
Erste Collage des CEO, der auch ein Künsteler (sic!) ist; Titel: „not to spread the word“; Preis: € 500,00. © VG Bild-Kunst, 2021.

Natürlich hätte sich beim dritten Absatz angeboten, diesen mit »NAZI« zu beginnen, doch sind wir nicht direkt – sondern dann (leider) doch indirekt – in die Falle getappt, stets ein absolutes Unwort im Munde zu führen, mit dem sich sprachkeulenhaft jede Diskussion zerstören lässt, in dem das Gegenüber oder der Gesprächstgegenstand oder eine Denkweise mit dem sehr deutschen N-Wort bezeichnet wird; oft sogar zu recht. Unser CEO findet, dass der Begriff »Labyrinth« derjenige sein soll, der den dritten Absatz prägen möge, sofern der Leser (w/s/m) bis hier gekommen sei, was noch lange nicht ausgemachte Sache sein könne. Denn Lesen und das sich durch das Labyrinth der Meinungen, die in zahllosen Zeichen (Buchstaben genannt) verschlüsselt daherkämen und erst mühevoll aus ihrer mehrfachen Decodiertheit befreit werden müssten, sei jedermanns/-fraus Sache nicht. Seine, unseres CEO, Sache schon … daher lese er ohne Ende. Und rede und schreibe … auch, um das Labyrinth der öffentlich geäußerten Gedanken um eine Facette zu bereichern.

© VG Wort, 2021.

Der CEO spricht: “KKK!”

Kaum zu glauben sei, dass das Fest zum « Quattorze Juillet » auf Kosten des einst den Landstrich hegemonial beherrschenden Nachbarlandes, personifiziert durch dessen Konsul – zum Leidwesen seines (verblichenen) Kätzchens ‚Pixie‘ – stets mit einem fetten Feuerwerk endend, nun zum zweiten Mal einfach ausfalle. Unser CEO ist daher nicht nur aufgrund des ewiggrauen Himmels und der damit verbundenen Wetterwarnung des französischen Wetterdienstes („vigilance orange“) stimmungsmäßig im Keller. Nicht, dass ihm Militärparaden wie die in Paris gefallen würden; ganz im Gegenteil (nur mühselig können wir den sich jetzt stets anschließenden Redeschwall bezüglich dessen tiefen Antimilitarismus, der auch eine Form von Militarismus ist, zügeln…), aber die Party in Saarbrücken am Schloss hätte doch immer etwas gelöst Fröhliches gehabt, was dem Saarländer (w/s/m) in der Regel sogar beim Schwenken und Biersaufen abginge. Seit dem Gegenterror gegen den Terror in Frankreich (letzterer ereignete sich vornehmlich Paris, aber jetzt muss das ganze Land unter den sogenannten Sicherheitsmaßnahmen, die einzig zu mehr Unsicherheit führen, leiden) wären die Partys in Frankreich grundsätzlich keine mehr, sondern Veranstaltungen militärischer und paramilitärischer Organisationen, die sich – wie die „tausend Briefeschreiber bzw. -unterzeichner“ von neulich – immer dreister aufführten.

Klar, so unser CEO, dass Maßnahmen gegen den Terror sein müssten; doch die Einfälle einfältiger Politiker*innen seien eher den Terrorist*innen – und ihm – offen die Hilf- und vollkommene Ratlosigkeit vor Augen führende, die ein allgemeines Absinken des Sicherheitslevels herbeiführten und damit die Stimmung im Lande schädige. Der gewaltige Rechtsruck, der wie unaufhaltsam seine seismografischen Wellen durch Europa entsende, sei ein deutliches Indiz dafür. Das wollten ‚interessierte Kreise‘ allerdings auch genau so, denn deren Agenda werde damit trefflich bedient, ohne dass in guter demokratischer Manier politisch dem Gegner ins Auge geschaut werden müsse. Dieser diskursfreie Aktionismus sei hingegen total demokratieschädigend, was allerdings dem Gegner in die Schuhe geschoben werde. Der seichte Undemokrat (s/w/m) des gesamtgesellschaftlichen Alltags merke noch nicht einmal etwas davon, obwohl die Intellektuellen sich darüber die Finger wund schrieben. Doch niemand lese deren kluge Äußerungen. „Ein ‚GROSZES‘ Problem“, sagt unser CEO mit krausgezogener Stirn, der Militärparaden hasst und nationale Identitäten – von ihm als ‚NAZI-onale‘ (mit Glottisschlag zu artikulieren; wie beim Gendern) bezeichnet – für Konstrukte vom Kaliber des Rassismus hält.

Kann man davon ausgehen, dass der jähe Abriss dieser Tradition Folgen nach sich ziehen wird? Es sollte so sein. Unreflektierte Traditionen oder mit einseitigen Begründungen praktizierte, die gewichtige Facetten – hier der durchaus getrübt freundschaftlichen Beziehung zwischen Deutschlandpartikel Saarland und der möchte-immer-noch-gerne « Grande Nation », deren Kollaboration mit dem durch-NAZI-fizierten Deutschland eine sehr weitgehende war, hat das ganz schnell vergessen wollen (ebenso wie die Luxemburger*innen, die das Kapitel bis auf den heutigen Tag noch weniger aufgearbeitet haben). « Damit ‚das‘ nicht noch einmal passiere » (mit Akzent zu lesen!) – hätten sie gegenüber der Kultur des Nachbarn eine durch&durch feindschaftliche Sprachpolitik betrieben, nachdem sie mit Ach&Krach ein Stück vom Berliner Sektoren-Kuchen abbekommen hatten und wieder aufrecht durch die Siegerwelt stolzierten. Das berichteten auch die vom lokalen ‚Mundartring‚ (erst kürzlich im „(Ewigen) Oberkäseblatt“)!1 Das sei peinlich, schimpft unser CEO, daher müsse das Geballere zum ohnedies militaristischen « NAZI-onal-Tag » Frankreichs in Saarbrücken für immer aufhören; ein für alle Mal. „Erst aufarbeiten – gemeinsam -, dann trotzdem nie wieder ballern!“ // An einem solchen Tag ausgerechnet stirbt Christian Boltanski.

© VG Wort, 2021.

Der CEO spricht: „FFF!“

Für das erste Mal nach dem Verbot (!) kultureller Darbietung in geschlossenen und offenen Räumen, war die Veranstaltung, die unser CEO gestern Abend im Inneren des KulturBahnhofs in Saarbrücken besuchte, ein vergleichsweise nichtiger: „Ein Kind der 50er Jahre“ war die Veranstaltung von Rainer Petto überschrieben, einem der vielen ehemaligen Mitarbeiter (erstaunlicherweise überwiegend: m) des lokalen Lokalfunks – von unserem CEO mit noch ganz anderen Bezeichnungen attribuiert -, die nun nicht mehr den Äther mit ihren zum Glück nur per Decoder empfangbaren Produktionen verstopfen, dafür hingegen die Kleinbühnen der Stadt, so auch diese: die ‚Kantine‘. Diese ist mit Mobiliar aus genau der deutschen Zeit vollgestopft, um die es gehen sollte, und unser CEO hatte den als ‚Platz 8‘ ausgewiesenen Sessel samt Beistelltischchen für das Glas – zugegebenermaßen qualitativ höchst befriedigenden – Weißweins ergattert.

Rainer Petto liest sich selbst im KulturBahnof in Saarbrücken.
Rainer Petto in den Schuhen seines Vaters. – Foto: Ulrich Ludat; © VG Bild-Kunst, 2021.

Frauen und Männer waren in erstaunlicher Parität zugegen, berichtet unser CEO, was ein Zustand sei, der nicht einmal in seinem Unternehmen eingelöst sei, von der Gesamtwirtschaft und -gesellschaft einmal abgesehen. Altersmäßig schien die Nostalgie die Leute in die ‚Kantine‘ getrieben zu haben; sie wollten etwas über ihre im Nebel des allmählichen Vergessens liegende Vergangenheit aus dem Blickwinkel eines in der Sprache Geübten erfahren, in Erinnerungen schwelgen. Schwelgen ist unseres CEO Sache nicht; es habe ein ziemlicher Hauch Altersheim über den ergrauten Köpfen der Anwesenden (w/m/s) geschwebt, was ihn erschrocken habe. Die rührige Eröffnungsrede der Macherin des KulturBahnhofs und der Vortrag des Herrn Petto haben dann schlimmste Befürchtungen unseres CEO Realität werden lassen. In lokal üblichem, pointenüberreich verschwurbelten Humor – oder was hier dafür gehalten wird -, von glucksenden Damen stets quittiert, habe Herr Petto, sich für einen Schriftsteller höherer Güte haltend, seine ambitionösen Texte aus den Achtziger- über seine und seiner Familie Fünzigerjahre vorgelesen, die er nicht einer erneuten Revision unterzogen habe. Wäre vlt. doch besser gewesen … aber die Anwesenden (m/w/s) wären derart eingenommen gewesen von den Stories, dass es böse gewesen wäre, zu frühzeitig zu gehen. Als dann zu Musikbeispielen endgültig wie in einem Altersheim mitgesungen und geschunkelt wurde, wär’s beinahe passiert …

Für Derartiges müsse man, obgleich es kostenlos gewesen wäre, Schmerzensgeld verlangen, so unser CEO, wütend. Reine Zeitverschwendung, um dann doch immer wieder nur dasselbe feststellen zu müssen: die seichte Verfassung dessen, was sich als Kultur getarnter Saarnazionalismus (sic!) in den Köpfen festgesetzt habe; eine direkte Folge der NAZI-Herrschaft ab 1936 sei das, die von dem Ober-NAZI Röder ab 1957 noch weitere 20 Jahre in genau dem Geiste fortgeführt worden wäre. Und der Herr Oskar als Ziehsöhnchen desselben habe es eigentlich – rotgetüncht – ebenfalls fortgesetzt, nur mit einer Pseudoemphase auf das Sozialistische, nur mäßig befreit vom, sondern vielmehr durchaus weiterhin – wenn auch verdünnt – im Nazionalen (sic!). Der Charakter des unsauberen Herrn Oskar ist ganz klar der eines FÜHRERS (Anm. d. Red.: gut das hier niemand die Gestik und die einschlägige Armbewegung sehen kann). So gehe der, von den Seinen inzwischen „Oppa“ genannt, auch mit der Partei um, in der er sich mit seiner aktuellen Gattin tummele. Es höre einfach nicht mehr auf … und sie seien immer noch in und unter uns. – Das war eindeutig kein schöner Abend für unseren CEO. Da muss er in Zukunft besser (auf sich) aufpassen.

© VG Wort, 2021.