Der CEO spricht: „MMM!“

Musik? Keinesfalls. Die Selbstbezeichnung lautet Soundwerkstatt: Floating, was ein seltsamer Mix sei, bevor es losgegangen wäre; „sound workshop: floating“ klänge schlüssiger, wenn schon Englisch als die passendere Sprache für den Titel erachtet worden wäre. Wenn man sich schon beim Titel derart aufhalten könne, wäre schon alles ‚zu spät‘; und so sei’s dann auch gewesen: vollkommen nichtig. Das Glas guten und perfekt temperierten Weißweins für dreieurofünfzig hätte es mitnichten gerissen. Die piefige Fünfzigerjahrebesesselung der Spielstätte wäre allerdings passend gewesen: Ein knappes doppeltes Dutzend überwiegend Graubehaarter (w/w/m/s) lieferte sich in ihnen den Klängen eines Gurus aus, die ein gutes halbes Stündchen über zwei Lautsprecher samt Subwoofern waberten, vom Guru mit feuchten Fingern an einem digitalen auf Retro getrimmten Tonerzeuger produziert und mittels einiger knapp gehaltener, weiteren Maschinen moduliert und so weiter worden sei. Der Hinweis, die Schuhsohlen zu erden, um die Schwingungen und Schwebungen zu inkorporieren, wäre überflüssig gewesen bei den für solche Effekte unterdimensionierten Boxen.

Das Set des Elektroklang-Gurus – Foto: Ulrich Ludat; © VG Bild-Kunst, 2021.

Mannomann, sei das eine zähe Sache gewesen. Der Mann am Set, Stefan Zintel (Selbstbezeichnung: Dozent, Klangkünstler, Musiker und Musikproduzent),1 versetzte fast alle Anwesenden (w/s/m) in den Tiefschlaf, was – wenn es denn gelungen wäre – eine witzige künstlerische Idee gewesen wäre: Ein Konzert, das niemand (s/w/m) komplett gehört habe trotz korrekter Ausführung alle Verrichtungen, die zum Erfolg hätten führen können, wäre da nicht der Hypnotiseur mittels Sounds am Set gewesen … stattdessen: „Die musikalische Gestalt entwickelt sich durch minimalistische Veränderungen einzelner Parameter.“ Minimalistisch wäre rein gar nichts gewesen, und die Veränderungen auch nicht minimal; also alles nur ein GROSZES Geschwafel? Ja, meint unser CEO, vollkommenes, wie zum Beispiel: „Es geht nicht um das bloße Darstellen, sondern darum, dass sich etwas ereignet.“ Das Gegenteil sei der Fall gewesen. „Was soll man dazu noch sagen …“

Massive Langatmigkeit ist aber nicht nur des Gurus am Set Stärke, sondern auch die des den2 Abend moderierenden Doktors; eines, der sich selbst super gerne vor allem Herumreden höre. Deshalb rede er auch stets viel und völlig belangloses Zeugs und scheut sich nicht, seine abgrundtief provinzielle Kleinbürgerlichkeit zur Schau zu stellen. Das habe er bei dem sich nach einem Päuschen (zum Wiederaufwachen und „Kaltgetränke holen“) anschließenden „Komponistengespräch“ voll&ganz eingelöst. Auf dumme Fragen habe es wortreiche, zappelige, einstudierte und vollkommen uninspirierte Dozenten-Antworten gegeben, die zeigten: von künstlerischer Inspiration könne keine Rede sein. Wäre es auch nie gewesen; irgendwie doch sensibel entlockte die sonore Stimme des Doktoren dem Interviewten eine banale Aussage nach der anderen. Dennoch sei es gut, dass er auf ein Direktorenpöstchen nach Saarlouis abgeschoben worden sei. Jetzt senke er dort das Niveau. Leider habe er einfach überall und auch noch in der Miesenkleinenlandeshauptstadt seine Finger in zu Vielem drin – in dem Bahnhof zum Beispiel als „Künstlerischer Leiter“ -, was für unser Unternehmen von GROSZEM Nachteil sei; aber man kenne ja seine (überaus) zahlreichen Gegner … Herr Guru und Herr Doktor gehörten als Jury-Mitglieder in vielfacher Weise dazu.

© VG Wort, 2021.

Der CEO spricht: „FFF!“

Für das erste Mal nach dem Verbot (!) kultureller Darbietung in geschlossenen und offenen Räumen, war die Veranstaltung, die unser CEO gestern Abend im Inneren des KulturBahnhofs in Saarbrücken besuchte, ein vergleichsweise nichtiger: „Ein Kind der 50er Jahre“ war die Veranstaltung von Rainer Petto überschrieben, einem der vielen ehemaligen Mitarbeiter (erstaunlicherweise überwiegend: m) des lokalen Lokalfunks – von unserem CEO mit noch ganz anderen Bezeichnungen attribuiert -, die nun nicht mehr den Äther mit ihren zum Glück nur per Decoder empfangbaren Produktionen verstopfen, dafür hingegen die Kleinbühnen der Stadt, so auch diese: die ‚Kantine‘. Diese ist mit Mobiliar aus genau der deutschen Zeit vollgestopft, um die es gehen sollte, und unser CEO hatte den als ‚Platz 8‘ ausgewiesenen Sessel samt Beistelltischchen für das Glas – zugegebenermaßen qualitativ höchst befriedigenden – Weißweins ergattert.

Rainer Petto liest sich selbst im KulturBahnof in Saarbrücken.
Rainer Petto in den Schuhen seines Vaters. – Foto: Ulrich Ludat; © VG Bild-Kunst, 2021.

Frauen und Männer waren in erstaunlicher Parität zugegen, berichtet unser CEO, was ein Zustand sei, der nicht einmal in seinem Unternehmen eingelöst sei, von der Gesamtwirtschaft und -gesellschaft einmal abgesehen. Altersmäßig schien die Nostalgie die Leute in die ‚Kantine‘ getrieben zu haben; sie wollten etwas über ihre im Nebel des allmählichen Vergessens liegende Vergangenheit aus dem Blickwinkel eines in der Sprache Geübten erfahren, in Erinnerungen schwelgen. Schwelgen ist unseres CEO Sache nicht; es habe ein ziemlicher Hauch Altersheim über den ergrauten Köpfen der Anwesenden (w/m/s) geschwebt, was ihn erschrocken habe. Die rührige Eröffnungsrede der Macherin des KulturBahnhofs und der Vortrag des Herrn Petto haben dann schlimmste Befürchtungen unseres CEO Realität werden lassen. In lokal üblichem, pointenüberreich verschwurbelten Humor – oder was hier dafür gehalten wird -, von glucksenden Damen stets quittiert, habe Herr Petto, sich für einen Schriftsteller höherer Güte haltend, seine ambitionösen Texte aus den Achtziger- über seine und seiner Familie Fünzigerjahre vorgelesen, die er nicht einer erneuten Revision unterzogen habe. Wäre vlt. doch besser gewesen … aber die Anwesenden (m/w/s) wären derart eingenommen gewesen von den Stories, dass es böse gewesen wäre, zu frühzeitig zu gehen. Als dann zu Musikbeispielen endgültig wie in einem Altersheim mitgesungen und geschunkelt wurde, wär’s beinahe passiert …

Für Derartiges müsse man, obgleich es kostenlos gewesen wäre, Schmerzensgeld verlangen, so unser CEO, wütend. Reine Zeitverschwendung, um dann doch immer wieder nur dasselbe feststellen zu müssen: die seichte Verfassung dessen, was sich als Kultur getarnter Saarnazionalismus (sic!) in den Köpfen festgesetzt habe; eine direkte Folge der NAZI-Herrschaft ab 1936 sei das, die von dem Ober-NAZI Röder ab 1957 noch weitere 20 Jahre in genau dem Geiste fortgeführt worden wäre. Und der Herr Oskar als Ziehsöhnchen desselben habe es eigentlich – rotgetüncht – ebenfalls fortgesetzt, nur mit einer Pseudoemphase auf das Sozialistische, nur mäßig befreit vom, sondern vielmehr durchaus weiterhin – wenn auch verdünnt – im Nazionalen (sic!). Der Charakter des unsauberen Herrn Oskar ist ganz klar der eines FÜHRERS (Anm. d. Red.: gut das hier niemand die Gestik und die einschlägige Armbewegung sehen kann). So gehe der, von den Seinen inzwischen „Oppa“ genannt, auch mit der Partei um, in der er sich mit seiner aktuellen Gattin tummele. Es höre einfach nicht mehr auf … und sie seien immer noch in und unter uns. – Das war eindeutig kein schöner Abend für unseren CEO. Da muss er in Zukunft besser (auf sich) aufpassen.

© VG Wort, 2021.