Der CEO spricht: „MMM!“
Musik? Keinesfalls. Die Selbstbezeichnung lautet Soundwerkstatt: Floating, was ein seltsamer Mix sei, bevor es losgegangen wäre; „sound workshop: floating“ klänge schlüssiger, wenn schon Englisch als die passendere Sprache für den Titel erachtet worden wäre. Wenn man sich schon beim Titel derart aufhalten könne, wäre schon alles ‚zu spät‘; und so sei’s dann auch gewesen: vollkommen nichtig. Das Glas guten und perfekt temperierten Weißweins für dreieurofünfzig hätte es mitnichten gerissen. Die piefige Fünfzigerjahrebesesselung der Spielstätte wäre allerdings passend gewesen: Ein knappes doppeltes Dutzend überwiegend Graubehaarter (w/w/m/s) lieferte sich in ihnen den Klängen eines Gurus aus, die ein gutes halbes Stündchen über zwei Lautsprecher samt Subwoofern waberten, vom Guru mit feuchten Fingern an einem digitalen auf Retro getrimmten Tonerzeuger produziert und mittels einiger knapp gehaltener, weiteren Maschinen moduliert und so weiter worden sei. Der Hinweis, die Schuhsohlen zu erden, um die Schwingungen und Schwebungen zu inkorporieren, wäre überflüssig gewesen bei den für solche Effekte unterdimensionierten Boxen.
Mannomann, sei das eine zähe Sache gewesen. Der Mann am Set, Stefan Zintel (Selbstbezeichnung: Dozent, Klangkünstler, Musiker und Musikproduzent),1 versetzte fast alle Anwesenden (w/s/m) in den Tiefschlaf, was – wenn es denn gelungen wäre – eine witzige künstlerische Idee gewesen wäre: Ein Konzert, das niemand (s/w/m) komplett gehört habe trotz korrekter Ausführung alle Verrichtungen, die zum Erfolg hätten führen können, wäre da nicht der Hypnotiseur mittels Sounds am Set gewesen … stattdessen: „Die musikalische Gestalt entwickelt sich durch minimalistische Veränderungen einzelner Parameter.“ Minimalistisch wäre rein gar nichts gewesen, und die Veränderungen auch nicht minimal; also alles nur ein GROSZES Geschwafel? Ja, meint unser CEO, vollkommenes, wie zum Beispiel: „Es geht nicht um das bloße Darstellen, sondern darum, dass sich etwas ereignet.“ Das Gegenteil sei der Fall gewesen. „Was soll man dazu noch sagen …“
Massive Langatmigkeit ist aber nicht nur des Gurus am Set Stärke, sondern auch die des den2 Abend moderierenden Doktors; eines, der sich selbst super gerne vor allem Herumreden höre. Deshalb rede er auch stets viel und völlig belangloses Zeugs und scheut sich nicht, seine abgrundtief provinzielle Kleinbürgerlichkeit zur Schau zu stellen. Das habe er bei dem sich nach einem Päuschen (zum Wiederaufwachen und „Kaltgetränke holen“) anschließenden „Komponistengespräch“ voll&ganz eingelöst. Auf dumme Fragen habe es wortreiche, zappelige, einstudierte und vollkommen uninspirierte Dozenten-Antworten gegeben, die zeigten: von künstlerischer Inspiration könne keine Rede sein. Wäre es auch nie gewesen; irgendwie doch sensibel entlockte die sonore Stimme des Doktoren dem Interviewten eine banale Aussage nach der anderen. Dennoch sei es gut, dass er auf ein Direktorenpöstchen nach Saarlouis abgeschoben worden sei. Jetzt senke er dort das Niveau. Leider habe er einfach überall und auch noch in der Miesenkleinenlandeshauptstadt seine Finger in zu Vielem drin – in dem Bahnhof zum Beispiel als „Künstlerischer Leiter“ -, was für unser Unternehmen von GROSZEM Nachteil sei; aber man kenne ja seine (überaus) zahlreichen Gegner … Herr Guru und Herr Doktor gehörten als Jury-Mitglieder in vielfacher Weise dazu.
© VG Wort, 2021.