Der CEO spricht: „GGG!“
Grenzen sind ein derzeit allseits beliebtes Thema: Der eine will sie erreichten, die andere will sie beseitigen, der Rest akzeptiert sie nicht und überschreitet sie ständig. So auch unser CEO. Der hat sich am gestrigen Tag auf sein Moped gesetzt und ist, weil er das Eingesperrtsein in dem „Kaff ohne südliches Hinterland, eine schwere Behinderung!“ gründlich leid sei, die Holperstrecke mit tausend Hindernissen (Ampeln, Fußgängerüberwege, Schlaglöcher, stillgelegte Straßenunterführungen, Tempodreißigstreckenabschnitte, Verkehrskreisel mit Pseudokunst), offiziell das Ende der von irgendwoher kommenden B 41, hochgefahren bis – eben – an die Südgrenze. Diese nur durch den Wechsel von einer Sprache in die andere und die etwas andersartige Straßenbemalung dennoch nicht wahrnehmbare Grenze sei ausschließlich eine in den Unterlagen starrsinniger Politnazionalköpfe (sic!) in Berlin und/oder Paris. Die Mensch vor Ort, so wie er, unser CEO, interessiere sich nicht die Bohne dafür und akzeptiere sie auch nicht und überfahre sie daher mit tiefer Verachtung.
Genau das tat unser CEO also nach längerer Zwangsabstinenz durch Verordnungen dort, die eine Weiterfahrt sehr teuer gemacht hätten, und Absperrmaßnahmen hier, die die Durchfahrt regelrecht verstellten, am gestrigen Tage. Er habe so tun wollen, als wäre das das Normalste der Welt. Doch das Wissen um den Raum, welcher von interessierten Kreisen als Grenze bezeichnet und als solche behandelt und strikt verteidigt werde, habe bei dessen Durchfahren sich in emotionalem Gasgeben geäußert, verbunden mit den entsprechenden Auspuffsounds. Die vielen Hindernisse (s. o.) auf der ehemaligen RN 3 (einstmals direkter Weg nach Paris), heute degradiert zur D 603, die ins östliche Nichts führt, wo niemand hin will, weil dort das Sterben im Gange ist, weil der Tod dort wohnt.
Gerne sei er, unser CEO, diese « Route Nationale » langgeknattert, an Ampeln mit hochgeklapptem Helmvisier auf die kleinen tiefergehängten starrend, wenn zum Halten genötigt, ebenso viele Hindernisse überwindend wie vor der eher emotionalen, denn – so er – tatsächlich physisch gegebenen Grenze, zu denen zusätzlich Baustellen zählten. Dort hin gefahren sei er getrieben von einem Projektvorhaben, welches von einem „Kunstprojekt zur Grenzsituation“ provoziert worden sei, ausgeschrieben von einem Kommunalgebilde namens Regionalverband, welchem – mit läppischen Preisgeldern ausgestattet – der hierzulande und -zustadt elend grassierende Wettbewerbscharakter aufgedrückt worden ist. „Das müsse man sich einmal vorstellen“, ereifert sich unser CEO, „die bewilligen 3.500 Okken öffentlicher Mittel, lassen die Künstler*innensklav*innen rackern und rödeln – fast habe er ‚rödern‘ gesagt – und stellen sich am Ende bei der ‚öffentlichen Präsentation‘ hin mit dem Gestus, was für eine tolle Idee zur Völkerverständigung sie doch gehabt hätten.“ Hätten sie aber nicht! Nicht einmal Gebetsketten.
© VG Wort, 2021.